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| Bernd Bickert

Baustelle Fachkräftemangel: Ein hausgemachtes Problem?

Warum der Fachkräftemangel oft ein hausgemachtes Problem ist und was Du tun kannst. Wie fast überall gibt es auch beim Thema Fachkräftemangel mehr als nur „die eine“ Wahrheit. „Wir finden einfach keine geeigneten Leute“ – ein häufiger Satz, wenn es um den Fachkräftemangel geht. Ebenso wahr ist: Viele Firmen verursachen, was sie beklagen. Statt auf äußere Umstände zu zeigen, sollten sie sich fragen, wie attraktiv sie wirklich für Bewerber sind. Unrealistische Erwartungen, Geiz bei Gehältern und bleierne Bürokratie sind kein Fachkräftemangel, sondern öfter als man denkt hausgemachtes Versagen. 

Aktuell erleben wir in unserem Beratungsumfeld, wie Unternehmen regelmässig Bewerberinnen und Bewerber ablehnen, obwohl diese die gewünschten Kompetenzen mitbringen und die Anforderungen erfüllen.

Wie passt das zusammen, dass wir auf der einen Seite das Schlagwort vom Fachkräftemangel haben – und auf der anderen Seite darüber reden, dass immer mehr Leute ihren Job verlieren könnten?

Die 9 Ursachen für Fachkräftemangel.

Fachkräfte fehlen aufgrund des demografischen Wandels.

Haben wir den demografischen Wandel ignoriert? – Wirtschaftsexperten bestätigen, wir erleben derzeit eine Gleichzeitigkeit von Stellenabbau auf der einen Seite und von Fachkräftemangel auf der anderen – allerdings wird der Fachkräftemangel aktuellen Prognosen zufolge nicht weggehen. 

So werden wir bis Mitte der 2030er Jahre eine Arbeitskräftelücke von ca. 7 Millionen Menschen haben, ohne Zuwanderung werden in Deutschland im Jahr 2060 ca. 10 Millionen Arbeitskräfte fehlen – ein mögliches Wachstumshindernis für die deutsche Wirtschaft, das schon heute absehbar ist. Falls Du aktuell weder einen Arzttermin oder einen Handwerker bekommst, viel Glück ab 2030.

Fachkräfte und Unternehmen führen sich gegenseitig vor.

Wir erleben Unternehmen, die oft egozentierte „Top Kandidaten“ einladen mit der Haltung „Ich will mal meinen Marktwert testen und bewerbe mich – will dort in Wirklichkeit aber gar nicht arbeiten – egal, ob ich damit andere Bewerber aus dem Rennen dränge“ – unterscheiden diese jedoch nicht mehr vernünftig von Bewerbern, die ein ehrliches, ernsthaftes Interesse an einer Mitarbeit mitbringen. 

Viele Bewerber wollen demzufolge einfach nur mal ermitteln, was sie wert sind – gleichzeitig wollen offenbar viele Unternehmen auch nur mal sondieren, welche Kandidaten so am Markt sind und zu welchem Preis. Andere Bewerber sind vielleicht Selbständig, schauen dennoch nach Jobangeboten in Festanstellung, bewerben sich – und obwohl es passt, bleiben sie unentschlossen. Folglich besteht offenbar auf beiden Seiten nicht immer ernsthaftes Interesse an einer Zusammenarbeit.

Der Mythos von der perfekten Fachkraft.

Manche Branchen suchen offenbar bevorzugt eierlegende Vollmilch-Säue 🙂 Demnach sollen Bewerber Kompetenzen mitbringen wie im Fall zweier uns persönlich bekannten, erfahrenen Führungskräfte: Führungskompetenzen – fachliche Kompetenzen – Erfahrungen von mehr als 15 Jahren – jemand, der wertschätzend kommuniziert – der integer ist – der liebt, was er tut und mit Herz und Verstand im Vertrieb tätig ist – der Verantwortung übernimmt und Dinge pragmatisch angeht – und darüber hinaus ein zeitgemässes Verständnis von positiver Führung und Zusammenarbeit mitbringt. 

Weiterhin fordern sie zusätzlich oft noch ein abgeschlossenes Studium – fliessendes Englisch – aktuelle Fortbildungsnachweise – sowie einen bestandenen „KI-generierten Wesenstest“ – Originalzitat – und das alles für ein Gehalt, das in der Realität niemand akzeptieren würde. 

Fachkräfte finden Geiz ungeil.

Auch Fachkräfte wollen gut bezahlt werden. Wenn Du darüber klagst, dass Du keine Leute findest – aber gleichzeitig nicht bereit bist, sie für ihre Expertise zu entlohnen, darfst Du Dich nicht wundern, dass der Wunschkandidat nicht zwangsläufig für Euch arbeiten will. Die Guten wissen, was sie wert sind – wer die haben will, sollte es nicht am Gehalt scheitern lassen.

Es sei denn „Wir finden einfach keine geeigneten Leute“ bedeutet in Wirklichkeit „Wir finden keine Leute, die extrem gut qualifiziert sind – die alles mitmachen – denen wir nix mehr beibringen müssen – die aber nichts kosten dürfen und trotzdem bereit sind, für uns zu arbeiten.“ Ist das vielleicht Deine Definition von Fachkräftemangel?

Wer darüber hinaus seine Anforderungen an Bewerber nur deswegen künstlich hochjazzt, damit er etwaige fehlende Kompetenzen als Verhandlungsmasse für das vordergründig angestrebte Gehaltsdumping benutzen kann, torpediert damit Glaubwürdigkeit und Vertrauen von Anfang an – ein echter Fehlstart für jedes Arbeitsverhältnis – darüber hinaus billig und durchschaubar.

Fachkräfte erleben Bürokratie und Vorurteile.

Nicht nur ausländische Fachkräfte scheitern regelmässig an bleiernen bürokratischen Hürden – an Visumsverfahren oder der Anerkennung von Abschlüssen – viele Anträge komplizierter als jede Steuererklärung. Gleichzeitig weigern sich viele Unternehmen, Bewerber mit ungewöhnlichen Lebensläufen überhaupt in Betracht zu ziehen – also Vorurteile statt Fortschritt? Das Ergebnis: Fachkräfte, die eigentlich verfügbar wären, bremst das bürokratische System aus.

Fachkräfte erleben mangelndes Vertrauen.

Original Begründung: „Wir können Sie nicht einstellen, weil Sie wegen Ihrer Kompetenzen wahrscheinlich schnell wieder abgeworben würden.“

Mangelndes Vertrauen und fehlende Risikobereitschaft machen es offenbar riskant, qualifizierte Bewerber einzustellen, da deren Abgang aufwendiger und problematischer wäre, als von Beginn an auf ihn oder sie zu verzichten. Die Haltung impliziert, dass der Bewerber von vornherein keine langfristige Bindungsabsicht haben könnte – und deutet auf ein Grundmisstrauen gegenüber Kandidaten hin. Statt die Herausforderung anzunehmen, einen talentierten Mitarbeiter aktiv einzubinden, wird die Entscheidung mit einer spekulativen Zukunftsprognose gerechtfertigt und ein hypothetisches Problem als Vorwand benutzt.

Fachkräfte erleben Angst und Konfliktvermeidung.

Original Begründung: „Wir können Sie nicht einstellen, weil wir bei Ihren Kompetenzen ein Problem mit unserem für Sie fachlich Vorgesetzten auf uns zukommen sehen.“

Hier werden offenbar Bewerber abgelehnt, weil ihre Kompetenzen die bestehenden Machtstrukturen infrage stellen könnten. Wer sich als potenzieller Vorgesetzter von Bewerbern bedroht fühlt, ohne die Person zu kennen, beweist Führungsschwäche und wenig Bereitschaft, von anderen zu lernen. Die Ablehnung lässt auf Konfliktvermeidung schliessen – denn wo Spannungen und Machtkämpfe im Führungsteam nicht gewollt sind, werden diese vorab ausgeschlossen. Unternehmen wie diese begnügen sich mit dem Status quo oder schieben eine hypothetische Problematik vor, um die eigene Unsicherheit zu verschleiern. Mutige Unternehmen hingegen gehen die Herausforderung an – binden fähige Personen sinnvoll in die Organisation ein – und sehen neue Impulse von aussen als Chance.

Führungskräfte sind in Bewerbungsgespräche nicht einbezogen.

Ein gutes Team setzt sich aus unterschiedlichen Typen zusammen. Folglich sollte das Recruiting Vielfalt berücksichtigen – und nicht nach „Klonen“ suchen. Ob ein neuer Mitarbeitender von der Chemie her ins Team passt, können oft nur die entsprechende Führungskraft und ihr Team entscheiden. Leider werden gerade im gewerblichen Bereich die unmittelbaren Führungskräfte nur selten in Bewerbungsgespräche einbezogen, müssen dann aber mit den Neuen zurechtkommen.

Fachkräfte warten lange auf Entscheidungen.

Viele motivierte Kandidaten warten extrem lange auf Entscheidungen. So entsteht der Eindruck, als würden Unternehmen sich nicht klar dazu entschliessen können, fähige Mitarbeiter einzustellen: Bewerbungsprozesse ziehen sich – Bewerber warten auf Antworten – viele Firmen verzichten derweil auf Feedback und Kommunikation – am Ende steht oft eine unpersönliche Standardabsage, die nichts erklärt, die abgelehnten Bewerbern keine Hinweise oder Empfehlungen mit auf den Weg gibt. Wen überrascht es da, dass qualifizierte Bewerber zunehmend frustriert reagieren oder lieber woanders unterschreiben – oder umsatteln?

Fazit.

Fachkräftemangel ist kein Fall von höherer Gewalt, sondern ein zum Teil hausgemachtes Problem – aus einer Kombination von unrealistischen Erwartungen, Bürokratie, Geiz, eigenartiger Wirklichkeitsbetrachtung und falschen Entscheidungen. 

Gute Leute wissen, was sie wert sind – ebenso wie die Führungskräfte aus unserem Beratungsumfeld, die mit ihren realen und irrealen Erlebnissen im Bewerbungsprozess diesen Artikel nachhaltig inspiriert haben und die aus eigenem Erleben bestätigen können:

„Unternehmen, die dies nicht wahrhaben wollen und auf Dumpinglöhne setzen, werden zwangsläufig Talente an den Wettbewerb verlieren.“

9 Empfehlungen, wie Du mehr Fachkräfte gewinnen kannst.

01   Baustellen erkennen.

Die erste Empfehlung ist, reflektiere einmal selbst oder mit Deinem Team, ob einer der hier skizzierten „Stolpersteine“ auch in Eurem Betrieb die Fachkräftegewinnung bremst.

02   Austausch im Führungskreis.

Falls ja, tauscht Euch gemeinsam im Führungsteam über Möglichkeiten – innovative Verfahren – oder Änderungsbedarf aus. 

03   Pareto Prinzip.

Angenommen, kein Kandidat erfüllt 100 Prozent Deiner Anforderungen. Dann wäre eine Empfehlung: Investiere in Menschen und bilde sie aus. Suche nicht immer nach der perfekten Lösung – das Pareto Prinzip bewährt sich oft auch hier: 80 Prozent Skills sind meist ausreichend, die restlichen 20 Prozent kannst Du schulen und trainieren.

04   Zutrauen.

Angenommen, Ihr verwendet unter anderem auch KI-generierte Auswahlverfahren. Wie sicher bist Du, dass eine KI mit Stand heute zuverlässig die Entscheidung für oder gegen einen Kandidaten treffen könnte? Oder traust Du Deinen Ohren – Deinen Augen – Deiner Erfahrung – Deinem Verstand – Eurem Recruiting-Prozess – Deinem Team – eine ebenso vernünftige Entscheidung zu?

05   Antizyklisch investieren.

Angenommen, Kosten sparen ist angesagt – vielen Unternehmen geht das so. Allerdings ist Kosten sparen allein noch keine Strategie. Deswegen investieren viele bewusst antizyklisch in Mitarbeitergewinnung – in fachliche Fortbildung – in überfachliche Weiterbildung – und sparen wo es geht, lieber woanders.

06   Onboarding verbessern.

Angenommen, es geht um weniger Bürokratie – die sicher für Viele hilfreich wäre. An behördlichen Verfahren und Anforderungen kannst Du vielleicht nicht viel ändern. Aber Du kannst es Fachkräften leicht machen, nach Überwindung der bürokratischen Hürden bei Euch im Betrieb über ein wertschätzendes Onboarding gut anzukommen.

07   Integrieren können.

Angenommen, es geht um Machtstrukturen – die wird es immer geben und gibt es wahrscheinlich auch in Deinem Betrieb. Jedoch gehört es zur Führung dazu, dies zu reflektieren – Integration als zentrale Aufgabe anzunehmen – fähige Personen sinnvoll in die Organisation einzubinden – und neue Impulse von aussen nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu bewerten.

08   Klarheit.

Angenommen, es geht um mehr Klarheit im Dialog mit Bewerbern. Dann lautet die Empfehlung: Ein klares „nein“ hilft Bewerbern viel mehr als Dein unentschlossenes „rumeiern“.

09   Entschlossenheit.

Wir erleben viele Mitarbeitende, die dankbar für Klarheit sind – und die ihren Führungskräften dafür Respekt entgegenbringen. Ein menschlich orientierter Leadership Ansatz ist erstrebenswert – jedoch zeigt unsere Erfahrung mit Unternehmen, dass man auch von entschlossenen, fordernden, mutigen und bisweilen unangenehmen Chefs viel lernen kann – und sich entwickeln kann.

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Autor:
Business Coach Bernd Bickert
0173 245 81 99

Mein Berufsweg vom Hotelmanager zum Berater umfasst die Themen Führung, Vertrieb, Kundenservice und Mitarbeitermotivation. Diese Trainingsthemen liefern Dir praktische Werkzeuge und vertieftes Wissen, um in Deinem Beruf erfolgreich zu sein. 

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